Es ist wohl nicht verwunderlich, wenn man solche Aussagen nur auf anonymen Foren findet, denn zu sagen “Mein Kind macht mich psychisch fertig” ist gesellschaftlich verpönt.
Ist es verwerflich und falsch?
Aus den Geschichten mancher Eltern und den Kommentaren anderer darauf wird ersichtlich, dass man auf jeden Fall aufpassen sollte, wie man sich ausdrückt.
Und die Frage ist durchaus legitim, ob es in Ordnung ist, dem eigenen Kind auf diese Weise Schuld zuzuschreiben.
Wären da nicht Ich-Botschaften besser?
Wie zum Beispiel: Ich komme nicht damit klar, dass mein Kind…? Oder: Es macht mich fertig, wenn mein Kind…?
Aussagen wie “Ich hasse mein Kind!” sind ebenfalls gängig.
Ohne die Auswirkungen von regelmäßig unangebrachtem und schlechtem Verhalten von Kindern auf die Eltern kleinreden zu wollen, möchte ich bereits an dieser Stelle dazu raten, mit den Formulierungen vorsichtig zu sein.
Das fordert allerdings auch ein bestimmtes Bewusstsein und Reflexionsvermögen und ist nicht immer einfach.
Mitunter ist es der erste Schritt, um aus der Opferrolle, in die man fällt, herauszukommen.
Und das bringt mich zu den nächsten Fragen: Kann man Opfer des Verhaltens des eigenen Kindes sein?
Ist es vielleicht sogar die eigene Schuld, dass das Kind sich verwerflich und anstrengend verhält?
Oder bist du vor allem dafür verantwortlich, wie du reagierst und so deinem Kind etwas vorlebst, was es vielleicht nachmacht?
Wie sieht dein Bild vom Kind im Allgemeinen aus?
Denkst du, es ist ein triebgesteuertes, unvernünftiges Wesen oder bist du der Meinung, dass es keinesfalls bösartig sein kann?
Bist du dir deiner eigenen Bedürfnisse bewusst oder verdrängst du da was?
Wie steht es mit deinem Selbstwertgefühl?
Diese Fragen sind nur der Anfang, um die Situation zu ändern.
In diesem Beitrag geht es vor allem darum, dass du selbst an dir arbeiten solltest, um eine Veränderung herbeizuführen.
Mein Kind macht mich psychisch fertig – Das Bild vom Kind
Wenn das Kind einen zur Weißglut bringt, kommen Gedanken hoch, die man am liebsten niemandem erzählen würde.
Entweder, weil man sich ihrer schämt oder weil man ahnt, dass einem Unverständnis entgegengebracht wird.
Ich finde es wichtig, dass man darüber schreibt und redet, denn nichts sollte tabu sein, was einer Änderung bedarf.
Vielleicht ist es also für den Anfang ein Trost, wenn du erfährst, dass du nicht alleine mit solchen Gedanken dastehst:
“Ich mache doch alles für mein Kind, bin liebevoll, aufmerksam, erfülle ihm jeden Wunsch und trotzdem nimmt es keine Rücksicht auf mich!”
“Wie kann dieser Bengel nur so frech sein und sich so mit mir anlegen? Ich werd’s ihm schon zeigen!”
“Alle Bemühungen sind umsonst, auch wenn ich alles gebe, reicht es nie aus, damit gut ist!”
“Dieses Kind interessiert sich für nichts und niemanden und macht nur, was es will.”
“Dieses Kind ist unberechenbar und gemein und es ist einfach nicht mehr auszuhalten!”
Bevor man sich als Außenstehender über solche Sätze empört, sollte man verstehen, dass noch vor gar nicht so langer Zeit noch schwarze Pädagogik üblich war, bei der strenge Bestrafung und sogar Prügel in der Erziehung von Kindern als legitim betrachtet wurden.
Aus Sicht deren Verfechter sind Kinder nämlich triebgesteuerte Wesen, denen man Vernunft mit allen Mitteln beizubringen hat und die gemaßregelt werden müssen, damit ihre Triebhaftigkeit gebändigt wird.
Die Überzeugung, dass Kinder auch zum Manipulieren fähig sind und vor nichts zurückschrecken, um ihren Willen durchzusetzen, wird auch heute noch angetroffen.
Mittlerweile ist aber eine andere Ansicht gesellschaftlich anerkannt, die mehr den sogenannten reformpädagogischen Ansätzen entspricht und das Kind als unschuldiges und von Natur aus gutes Wesen betrachtet, das durch das Umfeld maßgeblich beeinflusst wird.
Dabei können die Einflüsse gut oder schlecht sein.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich als Reaktion auf die rigorosen Erziehungsmethoden der schwarzen Pädagogik die antiautoritäre Erziehung, in der dem Kind erlaubt wird, zu tun und lassen, was es möchte und ihm dabei keine Grenzen gesetzt werden.
Im Umgang mit Kindern sollte man allerdings Extreme möglichst meiden, denn so wie sie Freiheit zum Entfalten ihrer Fähigkeiten und eigenen Persönlichkeit und eine geduldige und liebevolle Umgebung brauchen, so benötigen sie auch Grenzen und Struktur, um zu verantwortungsbewussten Menschen heranzuwachsen.
Die Balance zwischen Freiraum und Einschränkung zu finden und, was mindestens genauso wichtig ist, dabei konsequent vorzugehen und zu bleiben, ist äußerst schwierig.
Die Folgen inkonsequenter oder unangebrachter Erziehung treten meist schleichend auf und werden erst mit der Zeit deutlich, wenn das Kind gewisse Verhaltensauffälligkeiten zeigt.
Dann fordern die einen ein hartes Durchgreifen und Maßregelung, während die anderen dem Kind jegliche Verantwortung absprechen und die Eltern für schlechte Erzieher halten.
In diesen zwei Lagern kann man gut die verschiedenen Bilder vom Kind erkennen, von denen oben die Rede war.
Tatsächlich liegt es auch an den Eltern, wenn das Kind ab einem bestimmten Alter nicht gelernt hat, was Verantwortung bedeutet und dass die eigenen Handlungen und Verhaltensweisen Folgen nach sich ziehen.
Schließlich ist es hart, das protestierende Kind mit zerzausten Haaren in die Schule zu bringen, weil es beim Frühstück trödelt und zu lange im Bad braucht.
Oder ihm bei den Hausaufgaben nicht zu helfen, weil es erst vor dem Schlafengehen damit rauskommt, dass diese am nächsten Tag benotet werden.
Wenn das Kind fahrlässig mit Spielsachen umgeht oder sie sogar kaputt macht, ist es eben nicht einfach, ihm diese wegzunehmen und den Protest und die Empörung darüber auszuhalten.
Allerdings braucht es diese Entschlossenheit und mentale Stärke, damit das Kind klare Regeln vermittelt bekommt und frühzeitig lernt, dass alles Folgen hat, die je nach den eigenen Einstellungen und Handlungen, günstig oder ungünstig sein können.
Mein Kind macht mich psychisch krank – Die Opferrolle als Signal
Es gibt sie, die Eltern, die sich als Opfer ihrer eigenen Kinder wahrnehmen. Von wegen bedingungslose Liebe, manche bezeichnen ihre Kinder sogar als kleine Tyrannen.
Das ist der Grund, warum ich nicht viel vom Konzept der bedingungslosen Liebe halte, und zwar dann nicht, wenn die Eltern nicht reflektiert sind und sich selbst gut kennen, verstehen und im Griff haben.
Berüchtigt ist vor allem die sogenannte Autonomiephase des Kindes (auch wenn die erste Trotzphase durchaus schon um das dritte Lebensjahr herum stattfindet) zwischen dem fünften und achten Lebensjahr sowie in der Pubertät.
Oft sind Eltern über das störrische und anstrengende Verhalten der Kinder entsetzt: Es haut und beißt den Bruder oder die Schwester oder auch andere Kinder in der Schule, stemmt sich ständig dagegen, auch wenn es überhaupt keine Argumente bringen kann, verhält sich aggressiv oder hat oft übertriebene Wutanfälle usw.
Manche Eltern fühlen sich dann als Versager und denken, sie hätten einfach alles falsch gemacht, während andere völlig verständnislos darauf zielen, das Kind zu therapieren, da es einem nicht ernsthaft einfällt, das eigene Verhalten zu reflektieren und eine Wechselwirkung ausfindig zu machen.
Fakt ist, wenn das Verhalten des Kindes für die Eltern so belastend wird, dass sie ihrem Kind die Liebe entziehen, vermehrt negative Gedanken entgegenbringen und mit der Überforderung nicht umgehen können, dann ist nicht einfach Zeit für die Jugendpsychiatrie, sondern man sollte sich selbst einer professionellen und objektiven Perspektive unterwerfen.
Natürlich ist es alles andere als einfach, Kinder zu erziehen. Die Mutterschaft ist eine Herausforderung und eine der größten und anstrengendsten Aufgaben, die es gibt und bringt einen an seine Grenzen.
Aber wenn man sich als Opfer und das Kind als Täter sieht, sollten die Alarmglocken läuten.
Mein Kind macht mich psychisch fertig – Eigene Einstellung und Verhalten reflektieren
Wenn man noch keine lange Erfahrung mit Kindern hat, dann fällt es einem schwer, einzuschätzen, welches Verhalten ziemlich typisch für ein bestimmtes Alter ist und welches aus dem Rahmen fällt und professionelles Eingreifen erfordert.
Der erste Schritt, um das Verhalten des Kindes einzuschätzen, ist allerdings, die eigene Einstellung zu reflektieren und zu hinterfragen.
Das wird einem nicht nur dabei helfen, einen besseren Umgang mit der Situation zu finden, sondern auch davor bewahren, diese im schlimmsten Fall noch schlimmer zu machen.
Was hat es mit der Opferhaltung auf sich?
“Meine Tochter macht mich psychisch fertig!” – In die Opferrolle begeben sich Menschen oft deshalb, weil es paradoxerweise einfacher ist, sich der Situation zu fügen und jegliche Verantwortung abzugeben.
Wenn man denkt und behauptet, dass das Kind einen psychisch fertig macht, schiebt man dem Kind die Schuld an der Situation zu.
Fraglich ist dabei jedoch, ob das Kind überhaupt schuld sein kann. Manchmal sind es die Auswirkungen von Fehlern in der Erziehung oder im Umgang mit dem Kind, die sich über einen längeren Zeitraum angehäuft haben und die sich nun im sehr anstrengenden Verhalten des Kindes bemerkbar machen.
Wenn man sich beklagt und in die Opferrolle steigt, erwartet man meistens Zustimmung, Empathie und Trost von anderen.
Da in der Regel auch Schamgefühle mit der Opferhaltung einhergehen, wenden sich viele anonymen Foren im Internet zu.
Allerdings ist zu beobachten, dass man auf Foren nicht so oft auf Zustimmung stößt, sondern misstrauisch wahrgenommen wird.
Dort finden sich immer Menschen, die einem die Opferrolle nicht abnehmen und darauf aufmerksam machen, dass wenn bei Kindern etwas schiefläuft, man selbst dafür verantwortlich ist.
Das muss aber nicht stimmen, denn das auffällige Verhalten des Kindes kann sowohl organische als auch psychische Ursachen haben, es kann an einer Krankheit oder Störung liegen und dann ist man als Elternteil natürlich nicht dafür verantwortlich.
Sehr wichtig jedoch ist, zu verstehen, dass die Opferhaltung nicht nur sehr bequem ist, sondern die Verantwortung auf das Kind schiebt, was grundsätzlich falsch und auch gefährlich ist.
Das Kind ist kein Täter und tut nichts böswillig.
Jede Auffälligkeit ist meistens entweder ein Hilferuf oder ein Ruf nach Aufmerksamkeit.
Anstatt sich also von der Auseinandersetzung mit sich selbst und vor dem eigentlichen Problem zu drücken, indem man die Opferrolle übernimmt, sollte man die Fehler besser bei sich selbst suchen und Hilfe in Anspruch nehmen, sei es beim Kinderarzt oder in einer Beratungsstelle, von wo man dann weitergeleitet wird.
Mache dir bewusst, dass deine Gefühle dich auf deine Bedürfnisse aufmerksam machen wollen und dass es nicht immer möglich ist und manchmal auch schaden kann, diese wegzustecken, auch wenn man das im Elternsein natürlich sehr oft tun muss.
Die Opferrolle ist vor allem deshalb ein Problem, weil sie dich daran hindert, dich mit deinen eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen, sie richtig zu verstehen und einzuordnen und als Folge auch richtig zu handeln.
Ein Kind kann das noch nicht alleine und ist auf die Hilfe der Eltern angewiesen, um Gefühlsregulation zu erlernen.
Wenn du aber lange Zeit in der Opferhaltung verharrst, wie willst du deinem Kind beibringen, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu verstehen?
Wenn du den ganzen Tag über oft Wut empfindest und denkst, dass beispielsweise dein älterer Sohn deiner jüngeren Tochter absichtlich weh tut, dann ist die Wut eine Reaktion auf das Gefühl von Frust und Hilflosigkeit und auf das unerfüllte Bedürfnis nach Ruhe und Harmonie.
Ähnlich verhält es sich in diesem Beispiel mit dem Sohn.
Die Aggression auf die Schwester oder im Umgang mit anderen Kindern ist eine Reaktion auf ein tiefer liegendes Gefühl und ein unerfülltes Bedürfnis, dem nachgegangen werden muss.
Egal, ob das Kind drei, fünf oder zehn Jahre alt ist, nur durch konsequente und ruhige Kommunikation kann es lernen, die eigenen Gefühle zu verstehen, zu benennen, einzuordnen und adäquat auf sie zu reagieren.
Wenn die Mutter oder der Vater dann der Überzeugung sind, dass das Kind andere psychisch fertig macht, ist das gar keine Voraussetzung für ein richtiges Gespräch zwischen Eltern und Kind.
Mein Kind macht mich psychisch fertig – Widerstände gegen professionelle Hilfe
Niemand, der einen solchen sich wiederholenden Gedanken im Kopf hat und oder solch eine Aussage trifft, möchte hören, dass er aus dieser Haltung heraus sollte, sondern erwartet Hilfe und Zuspruch.
Diese kann man aber nicht auf Foren finden.
Der Weg in die Erziehungsberatungsstelle oder zur Familienberatung ist dabei unumgänglich.
Die Hemmschwelle ist dabei in der Regel sehr groß und manchmal ist es sogar einfacher, dem Kind eine gewisse Böswilligkeit zu unterstellen, als sich an den Gedanken heranzuwagen, dass etwas mit ihm oder mit einem selbst nicht stimmen könnte.
Es gibt typische Ausreden, die einen daran hindern, nach professioneller Unterstützung zu suchen, auch wenn dringend Hilfe gebraucht wird.
Es ist auch kein Wunder, wenn sich Eltern oft eher fremden Menschen in Foren anvertrauen anstatt mit Freunden und Verwandten zu sprechen und sich an professionelle Beratungsstellen zu wenden, vor denen sie sogar Angst haben können.
Schamgefühle, aber auch ein unterdrücktes schlechtes Gewissen, können Ursachen für Ausreden sein, um sich professioneller Beobachtung zu unterziehen. Meistens sind es folgende Ausreden, mit denen man schon einer Erziehungsberatung aus dem Weg geht:
• Vielleicht übertreibe ich nur…
• Was könnten die Leute dann von uns denken?
• Kinder können noch keine Probleme haben.
• Ich will nicht, dass mein Kind glaubt, es stimmt etwas nicht mit ihm.
• Er/sie ist eben so.
• Das wächst sich schon aus.
• Früher hat man es auch ohne Therapie geschafft.
• Mir hat es auch nicht geschadet.
• Jungs sind eben so.
• Sie ist halt eine Prinzessin.
• Wenn man einmal eine Diagnose bekommt, wird man sie nicht mehr los.
• Sobald man einen Arzt aufsucht, wird ADHS diagnostiziert.
Um festzustellen, ob das Verhalten des Kindes auffällig ist oder sich im Rahmen des Normalen befindet, ist eine genau und möglichst objektive Beobachtung notwendig, bei der sowohl voreilige als auch abwertende Schlussfolgerungen zu vermeiden sind.
Wenn dich dein Kind psychisch fertig macht, kannst du es in erster Linie wahrscheinlich gar nicht selbst ganz genau beobachten, um festzustellen, wie häufig es sich unangemessen oder auffällig verhält.
Außerdem braucht es genügend Vergleiche zum Verhalten von Kindern im gleichen Alter.
Fachpersonen haben Erfahrung mit Kindern verschiedener Altersgruppen und wissen, welche Entwicklungsstufe und welches Verhalten beispielsweise ein zweijähriges Kind von einem vierjährigen unterscheiden.
Wenn der erfahrene Babysitter oder die Erzieherinnen in der KiGa auf bestimmte Verhaltensauffälligkeiten aufmerksam machen, dann ist es für die Eltern wichtig, die Hinweise ernst zu nehmen und zu akzeptieren, was selten ein einfacher Prozess ist.
Zudem ist im Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern besonders wichtig, dass die Bezugspersonen viel Verständnis und Einfühlungsvermögen haben und dass es stabile Beziehungen mit konsequenten Regeln gibt, damit sie Vertrauen entwickeln können.
Geht’s darum, dass die Ursachen für das auffällige und dauerhaft anstrengende Verhalten des Kindes ausfindig gemacht werden, müssen Eltern auch lernen, zwischen der Persönlichkeit und dem Verhalten zu unterscheiden.
Das hilft außerdem auch dabei, die Situation nicht als Schande zu betrachten.
Und wie anders klingt schon die Aussage: “Das Verhalten meines Kindes macht mich psychisch fertig” anstatt “Mein Kind macht mich fertig”!
Man braucht sehr viel Feingefühl und Kraft, um diese Unterschiede wahrzunehmen und ihnen gerecht zu werden.
Wenn Eltern bereits denken, dass ihr eigenes Kind sie fertig macht, dann ist das in der Regel ein Zeichen dafür, dass sie das nicht mehr hinbiegen können. Und evtl. sogar an einem Burnout leiden.
Mein Kind macht mich psychisch fertig – Wenn die Eltern am Burnout leiden
Es kommt manchmal vor, dass Eltern sich wie Versager fühlen, sich mit Selbstzweifeln und Schuldgefühlen quälen, schlecht schlafen.
Wenn sie sich ihren eigenen Kindern gegenüber nicht durchsetzen können, sich ständig erschöpft fühlen und keine Freude mehr daran haben, die Kinder zu erziehen, dann ist die Lage sehr ernst.
Typische Anzeichen eines Burnouts sind Gleichgültigkeit, Erschöpfung, geringere Leistungsfähigkeit und das Fehlen von Freude an der Tätigkeit.
Die Diagnose Burnout in Bezug auf Arbeit wurde das erste Mal in den 60er-Jahren gestellt.
Wissenschaftler haben in den 80er-Jahren aber erstmals die Annahme vertreten, dass auch Eltern unter einem Burnout leiden können und untersuchten diesbezüglich aber nur die Eltern kranker Kinder.
Forscherinnen und Forscher in Belgien an der Université Catholique de Louvain haben auch die Allgemeinheit in Erwägung gezogen und in ihre Untersuchungen mit einbezogen.
Seit dem Jahr 2011 werden dabei 3000 Eltern begleitet, wobei festgestellt wurde, dass Burnouts in allen Arten von Familien auftreten.
Die Kinder müssen nicht krank sein, damit es zum Burnout der Eltern kommt, denn es gibt mehrere Risikofaktoren, wie unzureichende Strategien der Eltern im Umgang mit Stress, die Trennung vom Partner sowie ein mangelndes soziales Umfeld.
Ein Burnout ist vom sogenannten Baby-Blues oder von einer Depression zu unterscheiden.
Im ersten Fall geht es um Schwankungen im Hormonhaushalt der Mutter und die Beschwerden vergehen bereits, nachdem das Baby ein oder zwei Monate alt ist.
Eine Depression zeichnet sich dagegen dadurch aus, dass sich Lustlosigkeit und Gleichgültigkeit in allen Bereichen des Lebens breit machen und nicht nur auf das Familienleben und die Kindererziehung beschränkt sind.
Die Symptome des Burnouts
Es gibt drei typische Symptome, die auf ein Burnout hinweisen und aneinander anknüpfen.
Zuerst leiden die Betroffenen an Erschöpfung, fühlen sich ausgelaugt und leer und sind am Ende ihrer Kräfte.
Daraufhin erfolgt die emotionale Distanzierung zu den Kindern.
Da es an Energie fehlt, sich den Kindern zu widmen und sich zu engagieren, ist man nicht nur weniger aufmerksam und legt weniger Wert darauf, was das Kind empfindet und erlebt, sondern fängt auch an, das Kind als Täter zu betrachten.
Das ist die Phase, in der man nicht anders kann, als denken, dass das eigene Kind einen psychisch fertig macht und meistens gar nicht erkennt, dass man medizinische und professionelle Hilfe benötigt.
Mit der Zeit wird nämlich nicht nur die Lustlosigkeit größer und die Leistungsfähigkeit geringer, sondern auch die Identifikation mit der Elternrolle unterliegt ernsthaften Schwankungen.
Man nimmt sich nicht mehr als gute Mutter oder guter Vater wahr und hat dazu oft auch noch unbewusste Gewissensbisse.
Was man bei einem Verdacht auf Burnout tun sollte
Wenn also Erschöpfung inkl. emotionaler Leere und Distanziertheit beim Gedanken, dass das Kind einen fertig macht, eine bedeutende Rolle spielen, dann sollte man sich nicht einfach anonymen Foren anvertrauen, sondern die Hilfe eines Arztes und eines Psychologen in Anspruch nehmen.
Eine halbe Stunde beim Hausarzt kann bereits genügen, damit man zum Psychologen verwiesen wird, denn Burnout ist mittlerweile als Krankheitsbild weitestgehend anerkannt.
Wie man auch bei den meisten Einträgen in Foren und den Antworten darauf beobachten kann, ist es ein Tabu, zu beichten, dass man unter dem Elterndasein leidet.
Vielleicht ist es aber hilfreich, zu wissen, dass man damit keinesfalls alleine ist.
In manchen Fällen werden Medikamente verschrieben, die zwar für die Linderung bestimmter Beschwerden sorgen, aber nicht die Ursachen beseitigen können, die zu einem Burnout geführt haben.
Deshalb ist die Arbeit an der Genesung größtenteils psychologischer Natur.
In der Regel ist es das Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die zu schweren Belastungen und infolgedessen zum Burnout führen.
Darunter sind die Qualität der Partnerschaft, die Art der Erziehung der Kinder sowie die Persönlichkeiten der Eltern.
Die Erfahrung zeigt, dass viele der Betroffenen zum Perfektionismus neigen, sich im Umgang mit den eigenen Emotionen schwertun und demnach auch Schwierigkeiten dabei habe, die Gefühle der eigenen Kinder zu erkennen und zu verstehen.
Dann ist leider nicht einfach eine Mutter-Kind-Kur ausreichend, damit man wieder gesund wird und an mentaler Stärke und emotionaler Reife gewinnt, sondern man sollte umfassend und gründlich an sich selbst arbeiten, und zwar am besten mit psychologischer Unterstützung und Begleitung.
Abschließende Gedanken
Es ist gesellschaftlich verpönt und ein Tabu, offen einzugestehen, dass man am Elterndasein leidet.
Viele Betroffenen kämpfen erstmal eine ganze Zeit lang mit ihren Gefühlen, die letztlich im Aufschrei enden: “Mein Kind macht mich psychisch krank!”
Es ist der falsche Weg, dem Kind die Schuld zuzuweisen und es somit zum Täter zu machen, denn so schiebt man die Verantwortung von sich selbst aufs Kind und das Kind kann einfach nicht verantwortlich gemacht werden.
Egal, ob die Gründe für dauerhaft unangebrachtes und anstrengendes Verhalten an falschen Erziehungspraktiken der Eltern liegen oder vielleicht sogar beim Kind organisch bedingt sind, ist es wichtig, zu verstehen, dass kein Kind etwas böswillig tut, sondern dass jede Auffälligkeit ein Hilferuf und Schrei nach Aufmerksamkeit ist.
In diesem Beitrag habe ich mehrmals darauf hingewiesen, dass es in der Regel notwendig ist, professionelle und medizinische Unterstützung aufzusuchen, wenn man längere Zeit ernsthaft davon überzeugt ist, dass das eigene Kind einen krank macht.
Nicht nur könnte das Kind psychologische Hilfe benötigen, da es vielleicht an einer Krankheit oder Störung leidet, sondern man könnte auch selbst betroffen sein und an einem Burnout leiden.
Die Symptome und häufigsten Ursachen habe ich in diesem Beitrag kurz erläutert.
Du solltest wissen, dass du nicht alleine mit deinen Problemen und Gefühlen dastehst, sondern dass es auch anderen Eltern so geht, auch wenn nicht offen darüber gesprochen wird.
Hilfe zu suchen, ist außerdem kein Zeichen von Schwäche, sondern im Gegenteil von Stärke.
Ich wünsche dir viel Kraft zur Einsicht und zur Arbeit an dir selbst!
Alles Gute und liebe Grüße!
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Inneres Kind-Sprüche für mehr Verständnis und Selbstfürsorge
Saturday 24th of June 2023
[…] Heute hat man natürlich eine andere Einstellung zu Kindern als noch vor 100 oder 50 Jahren. Noch immer ist es aber zum Beispiel verpönt, zuzugeben: Mein Kind macht mich psychisch fertig. […]